Leitausstellung zum Stadtjubiläum im Haus der Seidenkultur

„Tosendes Meer – auf dem Webstuhl ‚gemalt‘“, titelt Petra Diederichs in der „Rheinischen Post“ über „eine ästhetische, wunderschöne Ausstellung,“ die derzeit im Haus der Seidenkultur (HdS) zu sehen ist. Gemeint ist unsere Exponaten-Show „Wasser + Stoff – eine elementare Verbindung“, die wir als Leitausstellung zum 650jährigen Stadtjubiläum bis zum 25. Februar im Museum an der Luisenstraße präsentieren. Positiv auch das Echo in der „Westdeutschen Zeitung“: „Die von Dr. Ulrike Denter kuratierte Schau verbindet auf ganz famose Weise das Klärwerk mit dem Haus der Seidenkultur“ schreibt Christian Oscar Laki. Beide Einrichtungen haben zudem eine Plattform geschaffen, auf der rund 50 Stadtfest-Events stattfinden. Hier wird ein „grandioses Feuerwerk“ abgeschossen, meinte Bürgermeisterin Gisela Klaer während der Vernissage.

Im Mittelpunkt der Sonderausstellung im HdS stehen gewebte Bilder der Münchener Textilkünstlerin Sonja Weber. Der Betrachter der eindrucksvollen Exponate vermutet zunächst eine Fotografie, oder doch eher eine Malerei? „Die Wahrheit entdeckt das Auge erst, wenn es nah ans Bild kommt“, lüftet Petra Diederichs in der RP das Geheimnis: „Es sind haarfeine Fäden, gewebt zu einem Bildnis!“

Kuratorin Dr. Ulrike Denter (Bildmitte) hatte zur Vernissage prominente Gäste an ihrer Seite: Links die Krefelder Bürgermeisterin Gisela Klaer und Dr. Ingrid Misterek-Plagge, Geschäftsführerin des Kulturraums Niederrhein.
HdS-Fotos: Brenner

Sonja Weber nimmt Fotografien zur Inspiration. Diese Vorlagen werden von ihr bearbeitet und auf einen computergesteuerten Webstuhl projiziert. Weber erschafft hierbei irisierende, auf einen Keilrahmen aufgezogene Jacquardgewebe, die flüchtige Bewegungsmomente von Wasser festhalten und stetig mit unseren Wahrnehmungen spielen: Scheinbar die Oberfläche von Wasser berührend, stehen wir gleichzeitig einem nicht greifbaren Moment gegenüber.

Webers Arbeiten sind eine Fixierung von Raum und Zeit, in denen eine ganz besondere Aura verborgen liegt: Die Oberflächenstruktur – erzeugt durch das Heben und Senken feinster Fäden – eröffnet für den Betrachter eine ungeahnte und grenzüberschreitende Plastizität, denn verändert er seinen Standpunkt je nach Lichteinfall, so offenbart sich ihm ein spannungsgeladenes Licht- und Schattenspiel. Während dieses Prozesses wird Webers fotorealistische Grundlage nicht zweidimensional festgehalten, sondern überschreitet die Grenzen des Bildes und erzeugt hierbei ein berauschendes Spektrum sich stets verändernder Impressionen.

Jacquard, Wolken und Wasser sind also die Themenschwerpunkte der Münchener Künstlerin. „Vor diesem Hintergrund hätten wir für eine Ausstellung zum Thema Wasser in unserer ehemaligen Jacquard-Handweberei keine bessere Künstlerin als Sonja Weber gewinnen können; sagt HdS-Kuratorin Dr. Ulrike Denter, die damit das übergeordnete Thema des Museumsnetzwerkes Rhein-Maas aufgreift, das die Themenfelder „Transformation und „Elemente“ unter dem Titel „Erdung“ in einen aktuellen gesellschaftlichen und kulturpolitischen Kontext gesetzt hat.

 

Erste Färberei am „Bröckske“

In der Ausstellung „Wasser + Stoff – eine elementare Verbindung“ nimmt auch das Kapitel der Krefelder Seidenfärberei einen breiten Rahmen ein.

Man schreibt das Jahr 1724 als sich die Krefelder „Seidenbarone“ von der Leyen von der Abhängigkeit Kölner und Niederländischen Färbereien befreien wollten und „in einem Hause nahe dem Brückchen über dem Stadtgraben – also dort, wo ehedem der Brauerei-Ausschank.

,En et Bröckske‘ lag – die erste Krefelder Färberei aufmachten“, wie es im November 1948 in der Zeitschrift „Dat Täuke“ geschrieben steht. Und die „Frohen Krefelder Blätter“ berichten weiter, das die von der Leyens „den bewährten Färbermeister Abraham van der Gerpott“ zum Chef der Färberei ernannten.

Der Betrieb wuchs – und damit der Gestank inmitten der Stadt – so schnell, dass schon recht bald eine Aussiedlung an den Stadtrand anstand. Als neue Bleibe der Färberei wurde das Anwesen „Alt-Leyental“ ausgeguckt. „Am 15. April 1777 genehmigte der preußische König den Umzug; und die Bürgermeister waren froh, die Stadtbleiche mitten in der Stadt endlich los zu werden“, schreibt „Dat Täuke“.

Immer wieder im „Schussfeld“ der (Presse-)Fotografen: Kuratorin Ulrike Denter.

1909: Endlich ein Klärwerk

Doch auch die jetzt im Osten der Stadt angesiedelten Färbereien bereiteten zunehmend Abwasserprobleme, was eine starke Verunreinigung von Gräben und Kuhlen zur Folge hatte. In den 1870er Jahren wurde schließlich auf Druck der Bevölkerung ein zentraler Abzugskanal gebaut, der die Abwässer nach Uerdingen in den Rhein ableitete. Im Jahre 1909 wurde schließlich ein erstes Klärwerk in Uerdingen eingeweiht und mit der Reinigung von Abwässern begonnen. „Damit schließt sich der Kreislauf zwischen Stoff und dem Umgang mit der Ressource Wasser aus dem Blickwinkel der Krefelder Textilindustrie“, sagt HdS-Sprecher Dieter Brenner.

Das alte Klärwerk ist Teil des weltweiten Netzwerks der Wassermuseen, Leitinitiative des hydrologischen Programms der UNESCO. „Wasser ist das wertvollste Gut des Planeten, das muss uns immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden“, fügt Christoph Becker für das historische Klärwerk hinzu. Und: „Die Leitaustellung in Krefeld hat damit globale Bezüge.“

Rauschende Meereswogen als gewebte Bilder. Die Münchener Textilkünstlerin Sonja Weber stellt ihre eindrucksvollen Exponate im Krefelder Haus der Seidenkultur aus.

Die Ausstellung „Wasser + Stoff“ wird bis zum 25. Februar 2024 im Haus der Seidenkultur und bis zum 31. Oktober im Klärwerk, Rundweg 20, zu sehen sein. Im Uerdinger Jugendstil-Gebäude werden überwiegend die großformatigen Webbilder von Sonja Weber gezeigt. „Diese hätten im HdS an der Luisenstraße sprichwörtlich den Rahmen gesprengt“, freuen sich die Organisatoren mit dem „Wassermuseum“ einen neuen temporären Ausstellungsort gefunden zu haben.